Der Staat als Marktakteur? Offener Brief zu den jüngsten Äußerungen der bayerischen Spitzenpolitiker Glauber und Hartmann

Der Staat als Marktakteur? Offener Brief zu den jüngsten Äußerungen der bayerischen Spitzenpolitiker Glauber und Hartmann

Sowohl der bayerische Umweltminister Glauber als auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Hartmann im Freistaat haben kürzlich angesichts der Energie- und Klimakrise eine aktive Rolle des Staates in der Energieerzeugung vorgeschlagen. NaturEnergy-Geschäftführer Dr. Thomas E. Banning warnt vor solchen zentralistischen Tendenzen und weist auf die vielfältige Landschaft aus mittelständischen Unternehmen und Bürgerenergieakteuren hin, die bei passenden Rahmenbedingungen gerne die Energiewende beschleunigen.

Sehr geehrter Herr Staatsminister Glauber,
sehr geehrter Herr Hartmann, MdL,

in seltener parteiübergreifender Einigkeit haben kürzlich Sie, Herr Glauber, als bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz (Freie Wähler) sowie Sie, Herr Hartmann, als Ko-Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag, eine aktive Rolle des Staates als Stromerzeuger eingefordert. Während es bei Ihnen, Herr Glauber, um die Übernahme der Wasserkraftkapazitäten von Uniper im Freistaat ging, wollen Sie, Herr Hartmann, dass der Staat selbst Windenergieanlagen im Staatswald baut und betreibt.

Ihre Vorschläge waren sicherlich gut gemeint, aber sie sind nicht zu Ende gedacht.

Können Sie mir und der Öffentlichkeit erklären, weshalb ein Bundesland, das über keinerlei personelle, technische und ökonomische Kompetenzen im Energieerzeugungsmarkt verfügt, Erneuerbare-Energien-Anlagen besser betreiben können soll als die zahlreichen Unternehmen, deren Geschäftszweck genau hierin besteht? Ich finde hierauf keine Antwort.

Zudem würde eine solche unternehmerische Tätigkeit des Staates die grundsätzliche Rollenverteilung unseres Wirtschaftssystems konterkarieren. Der Staat würde in direkte Konkurrenz zu etablierten wie neuen Unternehmen treten und aufgrund seiner Wettbewerbsvorteile bei der Investition in Erzeugungsanlagen auf landeseigenen Flächen die Geschäfts- und Entwicklungschancen dieser Unternehmen massiv beschneiden. Auch Folgefragen, etwa wer den erzeugten Strom dann nutzen kann oder mit welchen Geschäftspartnern dafür zusammengearbeitet wird, können nicht beantwortet werden, ohne das Neutralitätsgebot des Staates klar zu verletzen.

Deutschland hat sich sehr bewusst für eine freiheitliche und soziale Marktwirtschaft entschieden – und eben nicht für einen Staatskapitalismus. Verstaatlichungen von Unternehmen oder Erzeugungskapazitäten können im absoluten Not- und Einzelfall wie etwa jetzt beim Gasimporteur Uniper sinnvoll sein, sollten aber auf ein absolutes Minimum beschränkt bleiben und nach Abwenden einer Notlage wieder rückgängig gemacht werden.

Die Energiewende und gerade der Ausbau Erneuerbarer Energien benötigen neue Impulse, da stimme ich mit Ihnen, Herr Glauber und Herr Hartmann, vollkommen überein. Es gibt aber längst eine Vielzahl von Akteuren, die motiviert und gut aufgestellt für eine beschleunigte Transformation der Energieversorgung bereit stehen. Neben zahlreichen innovativen Unternehmen, und hier möchte ich ausdrücklich auf den Mittelstand verweisen, sind dies nicht zuletzt Menschen vor Ort, die sich für eine zukunftsfähige Energieversorgung in ihren Kommunen und Regionen engagieren. Initiativen und Projekten solcher Art, die bürgerschaftlichen Gemeinsinn und Unternehmertum im besten Sinne vereinen, würde mit einer dirigistischen Rolle des Staates in der Energieversorgung endgültig das Wasser abgegraben.

Mehr Wind- und Solarenergie scheitert nicht am Interesse der Wirtschaftsakteure und Bürger, sondern an unzureichenden Rahmenbedingungen. Hier müssen Bund und Länder endlich deutlich aktiver werden. Gerade für Bayern besteht dringender Handlungsbedarf: Angesichts des hohen Stromverbrauchs und der absehbaren Abschaltung großer konventioneller Erzeugungskapazitäten hat der Freistaat einen besonders hohen Bedarf an neuen Ökostrom-Kraftwerken – wobei sich die Staatsregierung durch besonders restriktive Investitionsbedingungen in den letzten Jahren selbst unter Zugzwang gebracht hat. Dabei kann auch in Bayern die Energiewende in kurzer Zeit ein Erfolg werden. Dafür müssen endlich den engagierten Bürgern und Gemeinden, den Stadt- und Gemeindewerken und den mittelständischen Energieexperten wie der naturstrom AG mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, ihr Engagement und ihre Fähigkeiten einzusetzen.

Wenn Ihre Vorstöße dafür gedacht waren, dass die Energieproduktion zukünftig nicht nur den großen international agierenden Energiekonzernen und Finanzinvestoren überlassen wird, die sich ja leider mit ihrer enormen Geldmacht in den Markt der Erneuerbaren Energien hineinkaufen und die mittelständischen Anbieter und die Bürgerenergie verdrängen, dann treffen Sie in der Zielsetzung auf meine volle Zustimmung. Aber der gewählte Weg ist der falsche. Mein Vorschlag: Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass die Protagonisten einer dezentralen Energieversorgung eine Chance erhalten, zügig in neue Wind- und Solaranlagen investieren zu können und gerne auch in die Wasserkraftwerke von Uniper in Bayern. Lassen wir es bei der guten und bewährten Arbeitsteilung von Staat und Wirtschaft – der Staat als übergreifender Regelsetzer und Ordnungshüter, die Unternehmen als investierende und wettbewerbliche Umsetzer.

Für Gespräche dazu stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas E. Banning
für naturstrom AG und NaturEnergy KGaA